Branchenzertifikat Koch/Köchin in sozialen Institutionen - ein Gewinn für alle!

Ausgebildete Heimköchinnen und Heimköche besitzen ein Bewusstsein über den Tellerrand hinaus. Professionelles Kochverständnis in sozialen Institutionen braucht mehr als Fachkompetenz.

Es wird oft davon gesprochen, dass die Sozialkompetenz für den Kochberuf in sozialen Institutionen besonders wichtig ist. Das Zwischenmenschliche spielt in solchen Institutionen eine viel grössere Rolle als in einer klassischen Restaurant- oder Hotelküche, weil eine sinnvolle Angebotsplanung erst durch den direkten Kontakt und die Beziehung zu den Bewohnenden möglich wird. Demzufolge sind Themen wie Kommunikation, Führung und interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtige Bestandteile im Branchenzertifikat «Koch/Köchin in sozialen Institutionen».

Doch das allein führt noch zu keinem professionellen Küchenverständnis, bei dem es auch um finanzielle Rahmenbedingungen und technische Vorgaben geht. Ganz zu schweigen vom Bewusstsein über die Zusammenhänge zwischen Physiologie der Bewohnenden und der entsprechenden Ernährung. Die Fachkompetenz alleine macht vielleicht einen guten Koch/eine gute Köchin aus. Gastronomie in einer Institution bedeutet jedoch weit mehr als die Herstellung schmackhafter Mahlzeiten, und fordert ein umfassendes Verständnis. In diesem Zusammenhang spricht man auch von vernetzter Betriebsorganisation.

Christoph Roos, Bildungsbeauftragter und Lehrgangsleiter bei Curaviva Weiterbildung erklärt, was hinter diesem Begriff steckt.

Herr Roos, im Curriculum des Lehrganges verwenden Sie die Bezeichnung «vernetzte Betriebsorganisation». Was verstehen Sie darunter?

Der Begriff «vernetzte Betriebsorganisation» steht für ein zusammenhängendes Verständnis verschiedener Bildungsinhalte. Es geht dabei um Inhalte wie Heimkultur, Heimorganisation, Marketing, finanzielle Grundlagen, Verpflegungskonzeption sowie Projektmanagement. Wir verwenden die Bezeichnung «vernetzt», um zu verdeutlichen, dass es hier nicht nur um Wissen, sondern auch um eine Haltungsfrage geht, die verschiedene Perspektiven miteinbezieht.

Die fachlichen Grundlagen bringen die Teilnehmenden ja aus ihrer Grundbildung mit. Dies verknüpfen wir dann mit Elementen wie Marketing, Angebotsplanung, etc. Wir bewegen uns so weg von einem rein mathematischen, hin zu einem zusammenhängenden betriebswirtschaftlichen Verständnis.

Zudem wollten wir weg kommen von der reinen Vermittlung eines Fachthemas. Die fachlichen Grundlagen bringen die Teilnehmenden ja aus ihrer Grundbildung mit. Nehmen wir z.B. das Thema Kalkulation. Dieses wird in der Grundbildung gelernt. Für viele ist diese aber schon einige Zeit her. Deshalb wird das Thema zunächst aufgefrischt und dann mit Elementen wie Marketing, Angebotsplanung, etc. verknüpft. Dadurch erscheint ein Thema wie Kalkulation in einem neuen Licht, und bekommt eine umfassendere Bedeutung. Wir bewegen uns so weg von einem rein mathematischen, hin zu einem zusammenhängenden betriebswirtschaftlichen Verständnis.

Das klingt spannend, aber auch anspruchsvoll. Warum fassen Sie gerade die nun von Ihnen erwähnten Themen unter dem Begriff «vernetzte Betriebsorganisation» zusammen?

Wir haben die Themen gewählt, die den praktischen Alltag nebst dem eigentlichen Kochen tangieren. Einerseits beeinflussen sich diese Disziplinen im praktischen Arbeitsalltag direkt, andererseits ist der Vermittlungsstil dieser Inhalte projekthaft und zusammenhängend aufgebaut. Eine Unterrichtssituation kann dann so aussehen, dass anhand eines Fallbeispiels verschiedene Szenarien durchgespielt werden, die veranschaulichen, wie finanzielle Vorgaben die Verpflegungskonzeption, aber auch die Präsentation des Angebotes sowie die Aussenwahrnehmung beeinflussen. Hier schöpfen wir aus dem reichen Fundus unterschiedlicher Betriebskonzepte, die in vielen Institutionen ja nicht nur einen internen Auftrag verfolgen, sondern vermehrt auch Dienstleistungen für Externe berücksichtigen. Durch diesen Aufbau werden auf den ersten Blick trockene Themen wie «Finanzen» oder «Betriebskonzepte» sehr lebendig, und unter Berücksichtigung des eigenen Betriebes sehr praxisnah erlebbar.

Was nützt mir das nun konkret am Kochherd in der Heimküche?

Die Verantwortung über die Qualität der Speisen hört ja nicht einfach bei der Küchentüre auf, sondern reicht bis auf den Teller der Menschen, für die gekocht wird. Geht man diesen Verlauf einmal gedanklich konsequent durch, merkt man sehr schnell, dass es beispielsweise auch um Transport- und Arbeitswege und um interdisziplinäre Prozesse geht.

Die vernetzte Betriebsorganisation fördert also das unternehmerische Denken und Handeln, was letztendlich auch der Institution zugute kommt.

Ein anderes Beispiel zeigt sich im Rahmen der finanziellen Verantwortung einer Heimküche. Es geht nicht nur darum, sparsam mit dem Lebensmittelbudget umzugehen, sondern die bestmögliche Qualität zu bieten, und das Geld zielgerichtet und überlegt einzusetzen.

Eine weitere Dimension zeigt sich, wenn wir den Schritt in die Cafeteria machen. Hier betreten wir einen Bereich des öffentlichen Lebens. Es ist der Platz, wo sich Menschen begegnen und wo man sich trifft. Darum ist es erheblich, wie sich die Speisen und das Angebot präsentieren, aber auch, wie die Mitarbeitenden kommunizieren und auftreten. Will man hier die richtigen Signale senden, so ist ein Verständnis für Marketing sehr wichtig. Was früher als «Schnittstelle zum Service» bezeichnet wurde, geht vermehrt in den Einfluss- und Handlungsbereich der Küche über. Es muss einen Koch/eine Köchin interessieren, ob seine/ihre Gerichte verkauft werden. Das hat entscheidend damit zu tun, WIE sie angeboten werden. Vom Produkt über die Verpackung, die Beschriftung, den Preis bis hin zum aktiven Verkaufsgespräch mit den Gästen.

Die vernetzte Betriebsorganisation fördert also das unternehmerische Denken und Handeln, was letztendlich auch der Institution zugute kommt. Das Verständnis für andere Betriebsbereiche und übergreifende Anliegen wird grösser. Die Kommunikation wird einfacher, die Fehlerquote sinkt, die Arbeitszufriedenheit steigt.

Es muss einen Koch/eine Köchin interessieren, ob seine/ihre Gerichte verkauft werden. Das hat entscheidend damit zu tun, WIE sie angeboten werden.

Das Ergebnis ist am Ende viel grösser als die Summe der einzelnen Inhalte. Die Teilnehmenden erwerben Kompetenzen, die sich nicht nur auf die Ernährung, Prozesse und Abläufe, Angebotspräsentation oder Kalkulation im Einzelnen beziehen. Vielmehr entwickeln sie ein Bewusstsein über das Zusammenwirken dieser Dinge und letzten Endes über das Wirkspektrum ihrer täglichen Arbeit. Das hat neben aller Fachlichkeit auch etwas mit Sinnhaftigkeit und folglich mit Motivation zu tun.

Wer den Lehrgang erfolgreich abschliesst, erhält das das Branchenzertifikat «Koch/Köchin in sozialen Institutionen». Wie überprüfen Sie, ob die Lehrgangsteilnehmenden auch über die nötigen Kompetenzen verfügen?

Das ist eine sehr wichtige Frage. Im Laufe der Ausbildung erarbeiten die Teilnehmenden drei sogenannte Kompetenznachweise. Diese Nachweise haben verschiedene Schwerpunkte. In der Ausbildung geht es ja wie schon erwähnt nicht nur um die vernetzte Betriebsorganisation, sondern auch um Kompetenzen in Führung und Kommunikation, in Ernährung und Essen, sowie in Gerontologie und Zusammenarbeit. Die Kompetenznachweise verfolgen das Ziel, das Gelernte aufgrund einer klar formulierten Aufgabenanforderung je nach Stand der Weiterbildung praktisch im eigenen Betrieb anzuwenden und anschliessend zu verschriftlichen. Durch die intensive Betreuung der Lehrgangsleitung erarbeiten die Teilnehmenden diese Aufgaben reflektiert und umfassend, und bringen so ihre Kompetenz zum Ausdruck.

Nochmals zurück zum Aspekt der Vernetzung. Wie entsteht dieses vernetzte Denken auch mit all den anderen Inhalten die Sie erwähnt haben? Wie kann ich mir das aus Sicht einer Teilnehmerin oder eines Teilnehmers vorstellen?

Die Vernetzung entsteht Schritt für Schritt vom ersten Tag an. Einerseits sind die Inhalte so gestaltet, dass sie zunächst aufeinander aufbauen, und später dann ineinandergreifen. Nehmen wir das Beispiel der Essbiographie. Hier zeigt sich beim Aufnehmen der Essbiografie vieles aus dem Feld der Sozialkompetenzen, gleichzeitig kommt das Wissen über die Ernährung zum Tragen, was wiederum die Angebotsplanung, Kostformen und die Warenbeschaffung tangiert, die mit einer Vielzahl an interdisziplinären Begegnungen einhergehen. Dies ist eben das Wunderbare an einer mehrmonatig andauernden Weiterbildung: Sie ermöglicht fortschreitende und zusammenhängende Lernprozesse. Die Folge ist nicht nur mehr Wissen, sondern ein bewusstes und vertieftes Rollenverständnis, als direktes Resultat dieser inhaltlichen und thematischen Verflechtungen.

Wir stellen fest, dass gerade bei Berufsleuten, welche aus der klassischen Gastronomie in eine Institution wechseln, dieser Lernprozess enorm wichtig ist. Denn die Motive, in einer Institution zu arbeiten, sind sehr vielfältig. Nach wie vor sind Klischeevorstellungen weit verbreitet. Die effektive Auseinandersetzung mit den Aufgaben im Heimalltag stellt somit einige Köchinnen und Köche vorerst vor eine Hürde. Sie sehen sich mit weit mehr Herausforderungen konfrontiert, als einfach nur weichere Speisen zu kochen. Im Unterricht nehmen wir diese Ansprüche gezielt auf.

Wir stellen fest, dass gerade bei Berufsleuten, welche aus der klassischen Gastronomie in eine Institution wechseln, dieser Lernprozess enorm wichtig ist.

Neben den inhaltlichen Verknüpfungen sind auch die Lernformen ganz wichtig. Die Teilnehmenden organisieren sich beispielsweise in Lerngruppen, die mit konkreten Aufgabenstellungen betreut werden. So wird u.A. im eigenen Betrieb recherchiert und die Ergebnisse in der Gruppe zusammengetragen, damit sie im Unterricht nutzbar werden. Dadurch wird lernen konkret und das eigene Handeln bekommt eine unmittelbare Konsequenz. Als Teilnehmer wird mir sofort klar wie ich wirksam bin, und welche Relevanz mein Tun auf die Küche, den Betrieb und die Bewohnenden hat.

Detailinformationen

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Kontakt
Christoph Roos, Bildungsbeauftragter Gastronomie, 041 417 01 95 I E-Mail